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Hab noch nicht wirklich ALLES erreicht. Vielleicht sollte ich doch zumindest das Buch fertig lesen.
Später.
Heute den halben Tag mit Lesen verbracht. Trotz der 220 Seiten liest sich Gratzons Buch recht schnell, die Schriftgröße und Zeilenabstand sind groß, es finden sich viele nette Cartoons auf den Seiten, aber auch viel, viel leerer Raum (also „nichts“ im Sinne des Buches).
Er verspricht, das Geheimnis des Erfolgs nicht zu verraten – es sei viel spannender, wenn man selbst drauf kommt!
Ich lese weiter.
Und weiter.
Und weiter.
Aaaargh! Sag’s mir, Fred Gratzon, sofort! In diesem Buch steckt jedenfalls nicht mal ein klitzekleiner Hinweis darauf!
Eines steht zumindest fest. Fred Gratzon hat sein Alleinstellungsmerkmal. Anders als alle anderen Erfolgsbücher, sagt er, dass nicht Anpacken das Gebot der Stunde ist, sondern Entspannen: „Es ist ein Naturgesetz, dass der leichte Weg schnellere Ergebnisse zeigt als der mühsame.“
Gratzon bezeichnet sich selbst als „The most unemployable Man on Earth“ (http://gratzon.com/fred/biography.htm), was ihn schon mal sympathisch macht. Entschleunigung macht sich auch in seiner Biografie breit:
Ich bin faul, anti-autoritär. Ich habe eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, ein noch kürzeres Gedächtnis und keinen Intellekt. Ich habe keinerlei vermarktbare Fähigkeiten und verachte Routine. Ich hatte keinen Job länger als zwei Monate und ich bin eine von den fünf Personen (wenn überhaupt), die es in der ganzen Geschichte der Vereinigten Staaten geschafft haben, aus dem Staatsdienst entlassen zu werden. Glücklicherweise sind dies die idealen Voraussetzungen für einen Entrepreneur.
Ich erinnere mich an den – äußerst entschleunigten – Anfang des Millionenprojektes, wo ich mit Lukas zusammen Tage damit verbrachte, in der Sonne zu sitzen und den Kindern beim Spielen zuzusehen. Ein neuer Ansatz, ein neuer Weg, das gleiche Ziel. Fred Gratzon wird weiterhin beschrieben als archetypischer Tofu-essender, gefühlsbetonter, bäumeumarmender, biologisch ernährter, Yoga praktizierender, New Age, rock-o-phonisch, Kind der Sechziger, Autor, Entrepreneur und seit 1968 enthusiastischer Anhänger der Transzendentalen Meditation, der nach Iowa transplantiert wurde und dennoch ein leidender (sic!) und trotzdem immer hoffnungsvoller Philadelphia-Sportfan ist.
Dementsprechend ist The Lazy Way to Success auch eher eine Art Hippie-Philosophiebuch. Wobei Gratzons Philosophie die ist, spielerisch an die Dinge heranzugehen und sie mehr aus Spaß an der Freude zu tun statt aus ehernem Pflichtgefühl. Nur so lässt sich eine persönliche Erfolgsstrategie entwickeln. Diese Philosophie kann jeder lernen.
Im Gegensatz zu den Erfolgsratgebern, die ich bisher gelesen habe, ist Gratzons Buch amüsant und entspannend. Das ist auch der Sinn, der dahinter steckt: Erfolg hat, wer gute Ideen hat, und gute Ideen hat man nicht unter Stress und Anspannung.
D’accord. Insofern liege ich auf einer Wellenlänge mit Fred.
Anstrengend allerdings sind seine penetranten Hinweise auf die Transzendentale Meditation – irgendwann habe ich es allerdings geschafft, sie auszublenden. Ob das im Sinne des Autors ist?
Ich bin schon gespannt, was Isi und Orell sagen, wenn ich ihnen erkläre, dass ich in Zukunft weniger an meinem Projekt arbeiten werde, um die Million zu verdienen. Ich werde beim allgemeinen Nichtstun meinen Blick fürs Wesentliche schärfen.
Nach langer Zeit ist mal wieder ein Yoda-Zitat fällig: „You must learn to let go everything you fear to lose.” Fred Gratzon war wohl ein Padawan.
Aber irgendwann werde ich wieder von der Dunklen Seite verführt (sprich: meinem unerschütterlichen Zynismus). Bei aller Philosophie ist das einzige, was Fred Gratzon auf über 200 Seiten macht, den Begriff Arbeit umzudefinieren (leider greifen bei Gratzons philosphischer Betrachtung von Arbeit die herkömmlichen Definitionen des Begriffs nicht): Anstatt eine Arbeit zu erledigen, die keinen Spaß macht, bei der man unzufrieden ist, die frustriert, die man nicht gerne macht, die Stress verursacht, soll man lieber Arbeit erledigen, die man gerne tut, die Freude bringt, Spaß macht und zu der man sich berufen fühlt. Dann ist das auch keine Arbeit, sondern Spaß:
Spaß ist eine im Deutschen seit dem 16./17. Jahrhundert belegte Substantivbildung aus dem italienischen spasso (Zerstreuung, Zeitvertreib, Vergnügen). Das Wort wurde, angelehnt an das italienische Original, zunächst auch als Spasso geschrieben. Heute wird mit etwas macht Spaß eine Tätigkeit beschrieben, die gerne gemacht wird, die Freude bereitet. (Wikipedia)
Gratzon schlägt also gewissermaßen einen philosophischen Haken. Denn meistens ist vor den Erfolg tatsächlich der Fleiß gesetzt: Wer Musik machen will, so dass es Spaß macht, muss vorher fleißig seine Skalen üben, anders schafft man es einfach nicht. Das ist die Arbeit, die dahinter steckt im eigentlichen Sinne. Und nun muss man es einfach schaffen, an dieser Arbeit Spaß zu haben. Sehr einfach. Gratzon sagt diesbezüglich: „Wenn jemand der Erfolg hat, behauptet, dies sei durch harte Arbeit entstanden, so stimmt das nicht, er hatte einfach Spaß dabei.“ Wie jeder weiß, der ein Instrument gelernt hat, hält sich bisweilen der Spaß beim Üben in Grenzen.
Was immer Sie mit Liebe und Begeisterung anpacken, wird sie auf Dauer auch finanziell nicht enttäuschen.“ Sagt Gratzon, und zitiert eine wissenschaftliche Studie, in der (wieder einmal) 20 Jahre lang die Lebensläufe verschiedener Personen untersucht werden, mit der Erkenntnis, dass nur diejenigen es zum Millionär schafften, die voll und ganz in ihrer Tätigkeit aufgingen. Dementsprechend rät Gratzon:
„Tun Sie das, was Sie wirklich fasziniert, und das nötige Geld wird kommen. Aber nicht nur finanziell werden Sie damit erfolgreicvh sein. Sie werden auch an Macht und Einfluss gewinnen. Und ganz nebenbei eine faszinierende Persönlichkeit werden.“ (S. 68)
Ui. Da freu ich mich schon drauf. Ich werde eine faszinierende Persönlichkeit. Und wieder wird die Macht erwähnt.
Um Erfolgreich zu sein, ist es nicht nötig, zu leiden. Mutter Natur will ihre Kinder nicht leiden sehen. Wir merken, was Mutter Natur für uns im Sinn hat, wenn wir glücklich sind – dann stimmt die Richtung. Oder anders ausgedrückt: Wir müssen etwas finden, das uns glücklich macht, dann sind/werden wir erfolgreich. Gratzon zitiert den amerikanischen Kulturwissenschaftler Joseph Campbell, der sagt „Follow your bliss“, tu, was dich glücklich macht.
Wenn man das schafft, dann erreicht man den so genannten flow das völlige Aufgehen in einer Tätigkeit, quasi das Erlangen einer höheren Bewusstseinsebene.
Man befindet sich auf dem richtigen Weg, wenn einem die Tätigkeit, die man ausübt Freude bereitet und sie sich natürlich, leicht und gut anfühlt (S. 77). Die Tätigkeit soll von Bedeutung sein und das Leben mit Sinn und Leidenschaft erfüllen. Bei der Auswahl der Tätigkeit soll man darauf achten, was man besonders gut kann, was einem leicht fällt, was einen so begeistert, dass man gar nicht mehr aufhören kann, wo man sich gerne engagiert und wo man fühlt, dass man nützlich ist und gebraucht wird (S. 77).
Hier liege ich tatsächlich auf einer Wellenlänge mit Gratzon: Ich kultiviere das Ausprobieren verschiedener Ideen und das Schreiben darüber. Ob ich damit tatsächlich Erfolg habe, ist mir im Augenblick egal. Ich befinde mich im Flow 🙂
Eine Art Gipfelerlebnis, das es nach Gratzon zu kultivieren gilt, ein Erlebnis von Fließen und Schweben, von Einheit und müheloser Intensität. Der Scheitelpunkt der Gefühle.
Bedauerlicherweise hält dieser Fluss des Geschehens nicht lange an.
Ich habe Hunger.
Ich brauche Kaffee.
Um den Flow zu erreichen, gibt Gratzon einen „Wegweiser zur Perfektion“ (S. 96):
Nur wenn wir loslassen und uns nicht an das Ziel unseres Handelns klammern, können wir ein reibungsloser Kanal werden für jene größere Kraft, die uns von Natur aus durchfließen will. Unser persönliches Tun verschmilzt mit dem kosmischen Zweck. Wir reihen uns ein in den universellen Fluss des Wachstums.“ (S. 97)
Wiederum anders ausgedrückt – allerdings nicht unbedingt verständlicher – sagt es unser kleiner grüner außerirdischer Freund mit den spitzen Ohren:
„And well you should not! For my ally is the Force. And a powerful ally it is. Life creates it, makes it grow. Its energy surrounds us… and binds us. Luminous beings are we, not this… [nudging Luke’s arm] crude matter! You must feel the Force around you. Here, between you, me, the tree, the rock… everywhere! Even between the land and the ship.“
Abschließend wird Gratzon so richtig esoterisch (bisher war das nur Kinderfasching): Er empfiehlt als die leichteste Methode nichts zu tun und dennoch alles zu erreichen die Transzendentale Meditation. Wikipedia klärt, was es damit auf sich hat:
Transzendentale Meditation (TM) ist eine Meditationstechnik, die seit 1957 durch eine von dem Inder Maharishi Mahesh Yogi gegründete Organisation gelehrt und propagiert wird. Neben der Meditationstechnik (TM), die kostenpflichtig gelehrt wird und deren Name von der Organisation markenrechtlich geschützt ist, bietet die Organisation weitere Techniken an, wie das „Yogische Fliegen“. Umfassende wirtschaftliche Aktivitäten gibt es zudem im Bereich Ayurveda.
Eine herbe Enttäuschung: Für kurze Zeit hat mich Gratzon tatsächlich dran gekriegt. Ich bin ja so naiv! Ich habe tatsächlich die 212 Seiten gelesen in der Meinung, hier den Schlüssel zu meinem Erfolg zu finden. Was ich allerdings fand, war das Geheimnis von Gratzons Erfolg: Er propagiert eine Meditationsmethode, die KOSTENPFLICHTIG ist. Und die Organisation finanziert sich durch diese kostenpflichtigen Seminare und durch die Vermarktung von modischen Esoterikprodukten, deren Wirkung bestenfalls umstritten ist.
Gratzon ist anscheinend doch nicht der nette, naive Hippie, als der er sich auf seiner Internetseite darstellt.
Fazit: Ich hätte die 20,00€ lieber nicht investiert – oder in Brian Tracys Wohlstand. Tracy scheint mir ehrlicher und konsequenter zu sein: Geld ist Erfolg. Kein Wenn und Aber. Keine halbherzigen und doch gebrochenen Hippie-Wahrheiten.
Meine Hippie-Seele ruft Verrat.
Zum Glück war ich nie wirklich ein Hippie.
Aus Protest suche ich nach „alles“ und finde folgendes Bild (Titel: Love Shadows Everything).
Foto: Nina Matthews Sydney , Australia
Na, das ist doch was. Aussagekräftiger geht’s wohl kaum.
Keine falsche Philosophie.
Nur Liebe.
Foto: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Love_shadows_everything.jpg